Einleitung: Autonomie als Heilsbringer?
Agilität wird oft mit Selbstorganisation und Autonomie gleichgesetzt. Teams sollen eigenständig entscheiden, sich selbst steuern und Verantwortung übernehmen. Doch genau hier liegt eine der Missverständnisse .
- Bindung – Soziale Eingebundenheit gibt uns Sicherheit.
- Selbstwerterhöhung und -schutz – Wir brauchen das Gefühl, wertvoll und kompetent zu sein.
Ein Ungleichgewicht dieser Bedürfnisse erzeugt Inkonsistenz – also Stress, Unsicherheit und Widerstand. Genau das passiert, wenn Agilität ohne psychologische Sicherheit eingeführt wird.
➡ Wenn Teams plötzlich „autonom“ arbeiten sollen, aber keine Orientierung haben, fühlen sie sich verloren.

Die Illusion der Autonomie in agilen Transformationen
Viele Unternehmen führen Agilität mit dem Versprechen ein: „Jetzt könnt ihr endlich selbst entscheiden!“ Doch was passiert oft in der Realität?
Beispiel 1: Führungskräfte ziehen sich zu früh zurück
- Plötzlich sollen Teams eigenständig Ziele setzen, Roadmaps planen und sich selbst organisieren – ohne klare Leitplanken oder Unterstützung.
- Führungskräfte missverstehen ihre neue Rolle als „Hands-off-Management“ – das führt zu Unsicherheit.
- Teams fühlen sich allein gelassen und beginnen, entweder chaotisch oder gar nicht zu agieren.
Beispiel 2: Kein Gleichgewicht zwischen Kontrolle und Autonomie
- In traditionellen Organisationen hatten Mitarbeitende oft klare Prozesse und Strukturen.
- In agilen Teams verschwinden diese plötzlich, ohne durch neue Sicherheitsmechanismen ersetzt zu werden.
- Ergebnis: Statt sich empowered zu fühlen, erleben Teams Verwirrung und Überforderung.
➡ Das Problem ist nicht die Autonomie an sich – sondern das Fehlen von Orientierung und psychologischer Sicherheit.
Autonomie braucht psychologische Sicherheit – sonst scheitert sie
Psychologische Sicherheit bedeutet, dass Menschen sich frei äussern, Fehler machen und Fragen stellen können, ohne Angst vor negativen Konsequenzen. Amy Edmondson, die führende Forscherin auf diesem Gebiet, fand heraus:
- Teams mit hoher psychologischer Sicherheit sind kreativer, effizienter und produktiver.
- Ohne psychologische Sicherheit wird Autonomie als Unsicherheit statt als Befähigung empfunden.
- Eine Balance zwischen Orientierung & Eigenverantwortung ist entscheidend für den Erfolg.
Erfolgsmodell: Autonomie mit Leitplanken
- Klare Ziele statt unklare Freiheit: Teams brauchen ein gemeinsames Ziel und eine Vision, um sich zu orientieren.
- Stabilität durch Routinen: Regelmässige Feedbackschleifen, Check-ins und Retrospektiven schaffen Verlässlichkeit.
- Gemeinsam getragene Verantwortung: Entscheidungen sollten nicht einfach ins Team „geworfen“ werden, sondern bewusst im Team entwickelt werden.
➡ Autonomie funktioniert nur, wenn sie durch psychologische Sicherheit stabilisiert wird.
Handlungsempfehlungen: So balancierst du Autonomie und Konsistenz
Setze klare Rahmenbedingungen für Selbstorganisation
- Stelle sicher, dass Teams wissen, was sie entscheiden dürfen – und was nicht.
- Einführung eines Decision-Making-Frameworks (z. B. Delegation Poker nach Jurgen Appelo).
Fördere psychologische Sicherheit aktiv
- Schaffe ein Umfeld, in dem Fragen & Fehler normal sind (z. B. durch regelmässige „Learning Reviews“).
- Führungskräfte sollten nicht auf Distanz gehen, sondern als Coach & Moderator agieren.
Gebe Orientierung, bevor du Autonomie einforderst
- Kanban Maturity Model nutzen, um den Reifegrad eines Teams zu bestimmen – und erst dann den Autonomiegrad anpassen.
- Flight Levels Ansatz anwenden, um sicherzustellen, dass Teams nicht isoliert „autonom“ agieren, sondern eingebettet sind.
Schaffe Stabilität durch regelmässiges Feedback
- Führung sollte nicht als Kontrolle verstanden werden, sondern als sichere Struktur, die Teams Halt gibt.
- Regelmässige Retrospektiven helfen, die Balance zwischen Freiheit und Orientierung nachzujustieren.
Mehr Freiheit braucht mehr Führung – nicht weniger
Die Idee, dass Autonomie automatisch zu besseren Ergebnissen führt, ist ein Trugschluss. Ohne psychologische Sicherheit wird Agilität zu Stress, nicht zu Empowerment.
Dein nächster Schritt:
- Reflektiere dein Team: Fühlen sich die Mitglieder autonom oder allein gelassen?
- Baue bewusst Leitplanken für Selbstorganisation auf.
- Nutze psychologische Sicherheit als Basis für echte Autonomie.
👉 Wie siehst du das? Welche Erfahrungen hast du mit falsch verstandener Autonomie gemacht? Lass es mich wissen! 😊